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Tour de Gambia - eine Reise quer durchs Land


Bis jetzt habe ich euch schon einiges aus Gambia berichtet. Bislang bin ich - abgesehen von einer Ausnahme - nur in der Küstenregion unterwegs gewesen. Das hat sich am vergangenen Wochenende geändert als meine Eltern hier zu Besuch waren. Zusammen mit meinem Lehrer Mr. Sanyang haben wir eine Tour bis tief ins Landesinnere unternommen und zahlreiche neue Eindrücke gesammelt. Los ging es in Gunjur bereits um halb fünf Uhr morgens, damit wir rechtzeitig die erste Fähre in Banjul um sieben Uhr erreichen können. Schließlich lag eine lange Tour vor uns. Bei der 40 minütigen Überfahrt über den River Gambia ans andere Flussufer nach Barra konnten wir einen prächtigen Sonnenaufgang beobachten. 

Bereits von der Fähre konnten wir unseren Stopp beobachten. Es handelte sich um Fort Bullen, eine jahrhunderte alte Festungsanlage an der Flussmündung (auch Barra Point genannt) des Gambia zum Atlantik. Die 1826 erbaute Festung diente den Briten in der Kolonialzeit dazu, Kontrolle über die Flussmündung zu gewinnen und den zuvor abgeschafften Sklavenhandel zu unterbinden. Es wurden zahlreiche Schiffe anderer Staaten daran gehindert, Sklaven aus der Region nach Amerika zu verschiffen. Heute zählt Fort Bullen zusammen mit anderen Anlagen zum Weltkulturerbe. Fort Bullen ist noch recht gut erhalten und beherbergt heute Anlagen des Militärs. 

Vor der alten Festung waren noch zwei alte Kanonen erhalten.

Alles in allem ein sehr geschichtsträchtiger Ort, der für mich ein bisschen vergessen oder verlassen wirkt, aber sehr gut erhalten ist. 

Wir haben uns anschließend auf den Weg in Richtung Albreda gemacht. Dieser kleine Ort liegt ca. 30 Kilometer von Fort Bullen entfernt. Wer denkt, dass diese doch recht übersichtliche Distanz schnell zurückgelegt ist, der irrt. Denn es ging nur ein kurzes Stück über eine asphaltierte Straße, bevor wir den Rest der Strecke auf einem teils schwer passierbaren Sandweg gefahren sind.

 Zumeist waren auf den Weg bis Albreda Bäume und Sträucher sowie ein bisschen Mangroven und einige kleine Dörfer zu sehen.

Als wir Albreda erreichten wurden wir direkt von einem älteren Herren, der sehr gut englisch sprechen konnte, empfangen und hat uns eine Tour zur nahegelegenen Kunta Kinteh Island angeboten. Da die kleine Insel, die kaum größer als 0,36 Hektar ist, mitten im River Gambia liegt, sind wir mit einem kleinen motorbetriebenen Holzboot dorthin gefahren.

Schon diese Überfahrt war eine sehr besondere Erfahrung, weil der Fluss mit diesem Boot nochmals deutlich mehr spürbar ist als mit der großen Autofähre in Banjul. 

Unsere kleine Reisegruppe (meine Mutter, ich, ein guter Bekannter von Benna Kunda, der Käpt'n, Marieke, mein Vater und mein Lehrer) auf dem Weg zur Insel.

Von weitem kann man bloß ein paar Bäume sehen. Ich habe mich erst gefragt, ob das wirklich die berühmte Kunta Kinteh Island sein sollte.

Die Insel trägt ihren Namen im übrigen erst seit 2011. Zuvor hieß sie James Island. Der heutige Name basiert auf einen ehemaligen Sklaven, der im 18. Jahrhundert von Gambia aus nach Amerika auf eine Plantage verschleppt wurde. Er soll dabei auch die damalige Sklaveninsel passiert haben, als er im Juli 1767 verschifft wurde. Seine Lebensgeschichte gab Alex Haley 1976 in dem weltberühmten Roman "Roots" wieder, der selbst ein Nachfahre von Kunta Kinteh ist.

Die Insel haben wir über einen Holzsteg erreicht. Mir sind neben den großen Baobabbäumen drei Kanonen direkt ins Auge gefallen. Die Insel war in der Vergangenheit nicht nur der Schiksalsplatz für viele verschleppte Sklaven, die von hieraus nach Amerika verschifft wurden, sondern nach der Abschaffung des Sklavenhandels genau wie Fort Bullen eine Festung. Die Insel liegt im River Gambia ausgesprochen günstig, um ankommende Schiffe bereits aus weiter Entfernung zu sichten. Auch hier wurden zahlreiche Schiffe mit Sklaven von den Briten abgefangen.

In der Vergangenheit war die Insel wegen ihrer guten strategischen Lage ein begehrtes Objekt. Nachdem die Portugiesen die Insel zuerst im 16. Jahrhundert eroberten, fiel sie im 17. Jahrhundert in die Hände des brandenburgischen Herzogs Jacob Kettler. Seine Hoheit über die Insel, die 1651 began, fand 1658 ihr Ende, nachdem er in Gefangenschaft geriet. Danach war die Insel umkämpft und wechselte mehrfach den Besitzer.

An diese Kämpfe erinnern mehrere Kanonen an unterschiedlichen Orten wie Mahnmale. Die Festung selbst ist recht gut erhalten, hat aber mit der Strömung des Flusses zu kämpfen. Von der ursprünglichen Größe der Insel ist fast die Hälfte im Fluss verschwunden. 

Anhand dieses Modells ist die ursprüngliche Form zu sehen. In der Mitte ist die bis heute erhaltene Festung mit einem Aussichtsturm. Drumherum waren Baracken für Sklaven. Auf der Insel gab es Platz für bis zu 80 Sklaven.

Für aufmümpfige Sklaven gab es in der Festung einzelne Zellen, in die kaum Tageslicht reingeströmt ist.

Hier ein Blick aus dem kleinen Fenster einer Einzelzelle, die im Keller der Festungsanlage liegt.

Für mich war dieser Ort, der historisch gesehen einer der wichtigsten Ort in Gambia ist, sehr bewegend. Die Ruinen von Kunta Kinteh Island haben mich ein wenig an eine Burg mitten im Fluss erinnert. Es wird im Übrigen viel für den Erhalt der Insel getan. So hat Prinz Claus, der verstorbene deutsche Ehemann von Königin Beatrix (Niederlande), ein Projekt mitfinanziert, damit sich die Fläche von Kunta Kinteh Island nicht weiter verkleinert und vom Fluss weggespült wird. 

Nach einem kleinen Frühstück in Albreda sind wir ins nächste Dorf, das Juffure heißt, gefahren. Hier soll Kunta Kinteh vor seiner Verschleppung gewohnt haben. Ein Museum erinnert dort heute an die Gräueltaten des Sklavenhandels.

Diese beiden Bilder zeigen erhaltene Fesseln, Waffen und Munition, die gegen Sklaven eingesetzt wurden.

Das Schaubild zeigt wie der Handel zur Zeit des Sklavenhandels funktioniert hat (Triangular trade, zu deutsch atlantischer Dreieckshandel). Dieses Handelssystem gab es seit dem Ende des 17. Jahrhunderts und fand sein ende Anfang des 19. Jahrhunderts.

Von Europa aus fuhren Schiffe mit verschiedenen Waren (zum Beispiel Manufakturwaren, grobem Tuch, Perlen, Stahlbarren und Waffen), um diese gegen Sklaven einzutauschen. Anschließend haben sich die Schiffe auf den Weg in die Karibik und nach Amerika gemacht, um die Sklaven dort wiederum gegen Baumwolle, Rum, Rohrzucker und andere landwirtschaftliche Erzeugnisse zu verkaufen. Diese Waren wurden dann nach Europa gebracht.

So wird der Handel mit Sklaven aus Westafrika, zu dem Gambia gehört beschrieben.

Wir haben in der Schule vor einiger Zeit den Sklavenhandel als großes Thema gehabt. Trotzdem habe ich in diesem Museum viel gelernt.

Nach dem Besuch im Museum haben wir uns auf den Weg in Richtung Wassu gemacht. 

Die erste Zeit sind wir noch auf den Sandwegen gefahren und sind durch einige Dörfer gekommen. Hier auf den Bild ist eine Upper Basic School in der Nähe von Juffure zu sehen. Diese ist für mich von außen betrachtet ziemlich klein, was auch an der geringen Bevölkerungsdichte in der Umgebung liegen kann. Wenn ich mir vorstelle, dass die Kinder teils 10 Kilometer jeden Tag zur Schule laufen müssen (Bustaxen fahren hier nur sehr selten), dann werde ich doch sehr demütig, wenn ich an die kurze Distanz zu meiner Schule sowohl in Deutschland als auch in Gunjur denke.

Nach einiger Zeit sind wir dann auf die nahezu durchgängig asphaltierte Straße zwischen Barra und Janjanbureh (früher Georgetown) gekommen. Diese einspurige Straße wird hier auch Highway genannt. 

Den Miniminum Bolong, einer der 32 Zuflüsse zum River Gambia, haben wir nach kurzer Zeit über einer Brücke passiert. Auf der Landkarte sah der Bolong recht klein aus, aber wie ihr seht, hat er doch schon eine gewisse Größe...

Mit der Zeit wurde es immer wärmer und wir stellten fest, dass die Klimaanlage im Auto leider nicht funktionierte. Gambian Experience halt. Für das Autoradio wurde es mit der Zeit auch zu warm und wir mussten ohne Reggae-Musik auskommen. 

Die Distanzen zwischen den kleinen Ortschaften wurden immer größer. Mir ist mit der Zeit aufgefallen, dass es meist kurz vor oder hinter dem Dorf nochmals eine kleinere bis größere Siedlung mit Strohdach-Häusern gab. Dabei handelt es sich um eine Siedlung der Fulla. Diese ist eine von mehreren Ethnikgruppen im Gambia und bevorzugt es, etwas außerhalb zu wohnen. 

Manchmal ist die Siedlung der Fulla, die sich mehrheitlich im Landesinneren niedergelassen haben, auch größer als die eigentliche Ortschaft.

In solchen Ortschaften leben schätzungsweise meist nicht mehr als 400 bis 600 Einwohner.

Eine Ausnahme bildet Farafenni welches in etwa der Mitte zwischen Barra und Janjanbureh liegt. Es bildet auch einen wichtigen Knotenpunkt, um in den Senegal zu gelangen. Die im Februar neu eröffnete Transgambia Bridge wurde nicht zufällig ganz in der Nähe gebaut, denn der Verkehr zwischen dem nördlichen und südlichen Teil Senegals fließt täglich durch Farafenni. Aber auf die besondere Brücke komme ich später nochmal zurück. 

Nachdem wir Farafenni, die zehntgrößte Ortschaft Gambias, hinter uns gelassen haben, wurde es etwas bergiger und es bot sich bei sonnenklarem Himmel ein herrlicher Blick in die Ferne.

Durch diese Erhebungen erschließt sich auch die für diese Region Gambias gängige Bezeichnung "Upper Land". 

Zwischen den wenigen Dörfern war nicht viel. Nur Wüste und vielleicht ein paar Sträucher und Bäume. Selbst Autos sind uns sehr nur selten entgegen gekommen. 

Hier mal ein Bild aus der Upper Land Region. Im Hintergrund ein Dorf der Fulla.

Und noch eins: Die Regenzeit würde dem Boden ganz gut tun. Hin und wieder waren kleinere Wald und Sträucherbrände in der Ferne erkennbar. 

Zwischendurch mussten wir einige Male abbremsen, weil Esel, Rinder oder Affen über die Straße liefen. Aber das ist auch in Gunjur recht normal.

Nach rund einer Stunde sind wir dann an einer weiteren Weltkulturerbestätte angekommen: Die Steinkreise von Wassu. Hier werden Sie auch manchmal das Stonehenge Afrikas genannt.

Es war nicht viel los, schließlich ist momentan auch nicht die Saison für Touristen. (Die beste Reisezeit, um nach Gambia zu kommen ist im übrigen zwischen November und März) Zunächst haben wir uns ein kleines Museum angeschaut, dass auf dem Gelände lag. Hier wurde die Bedeutung und die vermutliche Entstehung der Steinkreise erklärt.

Vermutlich dienten die Steinkreise als Grabstätten für Herrscher und wurden im 8. Jahrhundert von einer Magalithkultur gebaut. Die genaue Funktion der Steinkreise sind bis heute nicht erforscht.

Wir haben uns in Wassu nicht sehr lange aufgehalten, da es sehr, sehr heiß war und wir noch mit unserem nicht klimatisierten Auto bis ins 300 km entfernte Gunjur zurückfahren mussten. Dieser Trip sollte noch knapp 5 Stunden dauern.

Mein Gemütszustand zu diesem Zeitpunkt in einem Bild zusammengefasst. Ein bisschen müde von dem langen, bisherigen Trip und der warmen Hitze.

Damit es nicht so lange dauert, haben wir auf die ursprünglich geplante Fährüberfahrt in Janjanbureh verzichtet, sind bis Farafenni zurückgefahren und haben dort über die Transgambia Bridge den River Gambia überquert.

 Für meinen Lehrer war das ein besonderer Moment, weil er diese Brücke das erste Mal überquert hatte. 

Wie auf dem Foto erkennbar ist, wird die Straße direkt nach dem Ende der Brücke zur Seite abgeleitet. Die Straße ist aber in Kürze fertig und wird dann für den Verkehr freigegeben.

Ohne Pause sind wir dann zurück nach Gunjur zurück gefahren. In jedem Ort mussten wir einmal kurz anhalten, da es in jedem Ort einen Polizei Checkpoint gibt. An einem dieser Checkpoints hat mich ein Polizist wiedererkannt. Er war im November  in Gunjur in der Polizeistation stationiert. An einem Wochenende war ich in dem Videoclub direkt neben dieser Polizeistation Fußball gucken. Als eine Pause zwischen zwei Spielen war, hatten mich die Polizisten gefragt, ob ich nicht mit ihnen Attaya trinken und ein bisschen quatschen möchte. Haben wir gemacht und er konnte sich noch daran erinnern. Wie klein die Welt doch manchmal ist...

Insgesamt war die mehr als 15 stündige Reise sehr sehr schön und lernreich. Wir alle hatten sehr viel Spaß und haben Orte besucht, die selbst mein Lehrer noch nicht gesehen hatte. Die Hitze und die langen Autofahrten waren allerdings herausfordernd. 

Für mich war besonders Kunta Kinteh Island eine kleine Überraschung. Von weitem sieht diese kleine Insel bloß aus wie ein winziger Wald einiger Baobabbäume, die aus dem Wasser ragen. Dahinter verbirgt sich jedoch eine gut erhaltene Festungsruine. Was muss das in der Vergangenheit für manche Schiffe eine Überraschung gewesen sein! 

Ebenfalls fand ich die Fulla Siedlungen interessant. Die Strukturen, dass die Siedlung immer etwas außerhalb ist, war mir so vorher nicht bekannt. 

Besonders gefreut habe ich mich, dass meine Eltern mit waren. Sie waren bis Mittwoch hier zu Besuch und haben ziemlich viel von meinem Alltag gesehen und viele Leute aus meiner "neuen" Umgebung kennengelernt. 


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